Berliner Zeitung, Feuilleton Sept.2010
FRAU SONNE LIEBT HERRN MOND
Sternstunde: „Lichterloh“ im Theater an der Parkaue, von Christian Rakow
Wo die Lebe Hinfällt: Sonne und Mond. Sie feuerrot, gute 5 000 Grad Celsius heiß und tagsüber am Himmel tourend. Er ein gefrorener Lava-Klotz voller Krater, der nachts um die Erde herumschleicht. Eine solche Romanze kann eigentlich nicht klappen? Mitnichten. Schlich sind wir im Theater, im Raum der märchenhaften Weltverdrehung, im Orbit der möglichen Unmöglichkeiten. Und hier können die beiden so weit entfernten Gestirne problemlos miteinander glücklich werden - und eine große Schar junger Theatergänger mit ihnen.
Mit „Lichterloh“ öffnet das Theater an der Parkaue zum Saisonauftakt seine Pforten erstmals für die Allerjüngsten ab drei Jahren. Es ist eine Gute-Nacht-Geschichte am frühen Morgen, die die Gruppe United Puppets in der Regie von Mario Hohmann erzählt. Und in seiner kunstvollen Leichtigkeit gehört dieses knapp vierzigminütige Duett der beiden Weltraumbewohner zum Vorzüglichsten, das man im Bereich der Vorschulästhetik findet.
Unbeschwert komisch
Frau Sonne (in Pyjama und rot bekränzter Schlafkappe: Melanie Sowa) will sich am Abend zur Ruhe begeben. Nur hat sie dabei ihre Rechnung ohne den gerade aktiv werdenden Herrn Mond gemacht (mit baumelnder Schlafmütze wie von Wilhelm Busch gezeichnet: Lutz Grossmann). Er zündet Lichtlein an und lässt diese über Frau Sonnes Arme wandern. Glimmende Luftballone stülpen die beiden bald hervor oder tricksen per Laserpointer Glühwürmchen an die Leinwand hinter ihren Betten. Das alles sind Spiele wie von Kindern, die der Sandmann noch nicht schläfrig gemacht hat, fantastische Zaubereien aus der vormitternächtlichen Probierstube, im weißen Strahl der Taschenlampe geboren.
Die beiden hier so unbeschwert komisch wirkenden Himmelsgiganten necken und jagen sich. Und wenn Herr Mond ein knackiges „Na warte!“ ausruft, klingt darin das unvergessene „Nu pagadi“ der russischen Zeichentrickserie „Hase und Wolf“ an. Dabei verliert sich das Spiel nirgendwo in Turbulenzen; stets sind die Clownerien diskret und unaufdringlich vorgetragen. Kein krachender Knallfroschhumor wirkt hier, vielmehr glühen die Wunderkerzen des Theaters. Spätestens nachdem sie gemeinsam musizieren – auf Trompete und Enten-Flöte – entdecken Sonne und Mond leise ihre Zuneigung füreinander. Im Schlussbild umkreisen sich die beiden als Lichtkegel schwebend auf der Projektionswand. Astronomisch fraglos ein Unding, aber künstlerisch eine Sternstunde.
Zurück zur Stücke Übersicht >>>