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PRESSESTIMMEN HÄNSEL UND GRETEL

01 WESTFÄLISCHE NACHRICHTEN, JULI 2007

"Hänsel und Gretel oder Berliner Zoo mach weiter so "

„Liebe Zoobesucher, auf los geht’s los. Attraktive Preise für Groß und Klein winken allen Gewinnern bei unserer Zoolotterie «Ein Herz für Tiere». Der heutige Hauptgewinn wird nicht verraten, aber wir garantieren ihnen, et lohnt sich ...” scheppert die Durchsage zum 125jährigen Geburtstag des Berliner Zoos. Vor uns das Affenhaus, in dem die Tierpfleger Marianne (Melanie Sowa) und Frank (Pierre Schäfer) letzte Vorbereitungen für das große Jubiläumsprogramm treffen: Das ist so lebensnah, dass der Zoo-, pardon!, Theaterbesucher sofort den wohlig-warmen Schauder von liebenswert-anarchischer Volksfestatmosphäre spürt.

„Seit zwei Wochen haben wir hier im Affenhaus eine kleine Sensation, der ein oder andere hat es vielleicht schon in der Zeitung gelesen, wir haben zwei Neuzugänge: Ein kleines Orang-Utan Mädchen und einen Schimpansen-Jungen,” erklärt Marianne voller Affen-Mutter-Stolz – zurecht: Hänsel, der Schimpansen-Junge und Gretel, das Orang-Utan-Mädchen schlagen uns sofort in ihren Bann: Das ist mehr als das übliche „Kleinkindchen-Schema”, denn Hänsel und Gretel entpuppen sich im Verlauf des Stückes als wahre Helden – wie sie die Begegnung mit der bösen Stiefmutter und der gar-grauslichen Hexe meistern, hätten die Gebrüder Grimm besser wirklich nicht erzählen können. Übrigens: Das Stück glänzt nicht zuletzt durch Werktreue, auch wenn das vor lauter originell-komischer Einfälle leicht zu übersehen ist ...

Hänsel und Gretel, ausgesetzt im Wald – ganz auf sich allein gestellt. Angst. „Gretel! Gretel, guck mal!” ruft Hänsel und schneidet Grimassen, um seine wimmernde Schwester zu trösten. Es hilft nichts, also schlägt er endlich vor, etwas zu spielen: „Komm wir machen «wer bin ich»” Und dann raten sie, was ihnen am allernächsten liegt: „Ein herzensguter Mann? – Hast du einen schönen Schnurrbart? – Kannst du gut Feuer machen? – Bist du der beste Holzhacker auf der ganzen Welt? – Unser Papa!” und: „Bist du hässlich – Bist du böse? – Riechst du schlecht aus dem Mund – Kochst du schlecht? (nicken, kotzen) – Dann weiß ich wer du bist: Unsere böse Stiefmutter!” Ist das schon ein Tabubruch? Vielleicht. Aber „Affenmund tut Wahrheit kund” – und in seiner kindlichen Distanzlosigkeit ist es ungeheuer gut beobachtet.

Immer wieder werden wir auf unsere tief-verborgenen Gefühlswelten gestoßen, vom blanken Haß bis zur puren Freude ist alles dabei – aber immer gibt es auch gerade noch rechtzeitig den „Comic-Relief”: Da erlöst uns – uns und Hänsel und Gretel! – ein wunderbares deutschsprachiges Elvis-Cover von „Are you lonesome tonight?”, stimmungsvoll auf der Ukulele begleitet von der „Unterstützung aus dem Elefantenhaus Jens Mistelbach” (alias Mario Hohmann), der auch für die sonstige Geräuschkulisse mit Trommel und perfekt getimten Spezial-Effekten sorgt.

Wie gesagt: „Der heutige Hauptgewinn wird nicht verraten, aber wir garantieren ihnen, et lohnt sich ...” Ja, es lohnt sich!


02 SAZ AUG. 2006

„Ach du grüne Banane!“

Der erste Blick gilt dem Bühnenbild, der zweite geht ins Programmheft, zur Sicherheit: Stand da nicht Hänsel und Gretel? Bevor das Spiel seinen Lauf nimmt blicken die leicht verunsicherten Theaterbesucher im restlos überfüllten barocken Paradeishof auf einen Affenkäfig mit einer üppigen Landschaft aus Tauen, Plastikeimern und Jutesäcken. Doch wer glaubte, dass der Grimm-Klassiker über das verstoßene Geschwister-Pärchen im Theater so aussehen muss, wie es uns die Märchenbuch-Illustratoren seit Generationen suggerieren, wird in der folgenden Stunde eines besseren belehrt.

Im Mittelpunkt jener cleveren Mischung aus Schauspiel, Puppentheater und Musik steht das Märchen von Hänsel und Gretel Doch: Alles nimmt seinen Beginn in einem Käfig des Berliner Zoos. Dort haben die beiden Tier-pfleger Marianne ( Melanie Sowa ) und Frank ( Pierre Schäfer ) bei der Aufzucht und Pflege von zwei wunderschönen Affenkindern alle Hände voll zu tun. Hier will gespielt oder gewickelt werden und Aufmerksamkeit samt Streicheleinheiten sind so nötig wie alle zwei Stunden etwas zu Fressen. Da sich das entzückend schüchterne Orang-Utan Mädchen und der etwas aufmüpfigere Schimpansenjunge vom ersten Moment an im Zoo wie zwei Geschwisterchen verstanden wurden sie Hänsel und Gretel genannt. Zum heutigen 125jährigen Zoogeburtstag haben sich nun die zwei „Pflegeeltern“ etwas einfallen lassen und mit den beiden Affen an das gleichnamige Märchen herangemacht und mit viel Geduld, Übung und Phantasie mit den beiden kleinen Affen eine anrührende Umsetzung von Hänsel und Gretel ausgearbeitet.

Die Pfleger schlüpfen mit knappen pointierten Ver-wandlungen in die Rollen der Eltern und Erzähler, während die beiden Affen in komischer wie herz-zerreißender Manier die beiden Kinder spielen. Sinnfällig und bilderreich wird das Zoointerieur als Märchen-Landschaft interpretiert und bespielt. Abgerundet wird diese Konstellation durch den Musiker Mario Hohmann , der nuanciert und quirlig mit Perkussion und Geräuschen dem Geschehen Rhythmus und Atmosphäre einhaucht. Langsam werden die Zuschauer in das Märchen hinein-gezogen. Diese scheinbar absurde Verpflanzung des Märchenstoffs in die Zoowelt erweist sich als kluger Kunstgriff des Ensembles und ent-wickelt von Szene zu Szene einen immer stärkeren Sog dem man sich schwer entziehen kann. Der Reiz des Spiels liegt im Spannungsfeld zwischen der „tierisch“ verfremdeten Szenerie samt Hauptfiguren auf der einen, sowie der Text- und Märchen-treue auf der anderen Seite. Anstelle einer leidigen Modernisierung des Märchens gelingt so eine Interpretation im besten Sinne des Wortes.

Nicht was, sondern wie es erzählt wird, fasziniert. Hier entstehen Nuancen, Zwischentöne und nachdrückliche Bilder zwischen der Märchen- und der Zoowelt, die es in sich haben: Da krakeelt die Hexe sphärisch „Knusper, knusper Knäuschen…“ aus dem Zoo-Laut-sprecher, der noch zuvor die Zoo-besucher willkommen geheißen hatte, die Schutzbedürftigkeit der beiden Kinder findet in den kleinen Affen eine wunderbare Entsprechung und die Ausweglosigkeit aus den Fängen der Hexe kommt greifbar nahe, als die riesige Türe des Affenkäfigs wie von Zauberhand ins Schloss schnappt. Die unbekümmerte Kindlichkeit der Affen nimmt die Kinder im Sturm ein und weckt beim ein oder anderen ihrer Eltern „Adoptionsgelüste“. Auch ansonsten war die Vorstellung für alle Altersgruppen ein Genuss und wurde zu Recht mit reichlich Applaus und Bravos bedacht.

Darüber hinaus gab es noch Wissens-Wertes: Ganz zu Anfang erfährt man von Tierpfleger Frank noch nebenbei, dass sich Orang Utans und Schimpansen in der Natur nie begegnen würden, da der indische Ozean ihre Heimatkontinente trennt. Ein Glück, dass dieses Naturgesetz gestern ausgehebelt wurde.

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