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MEIN GROßVATER WAR EIN KIRSCHBAUM

01 Süddeutsche Zeitung, Jan. 2010

EIN KIRSCHBAUM DER DIE WELT BEDEUTET
Wunderbares Kindertheater nach einer Erzählung von Angela Nanetti

Es sind die Bilder, die im Gedächtnis bleiben und das Magische dieser eindrucksvollen Kinder- und Jugendtheaterproduktion ausmachen: Wenn Großmutter Teodolinda zwischen den dicken Daunenkissen im Pappkarton einsinkt und immer tiefer einsinkt, bis sie verschwunden ist; wenn eine weiße Federstola die Klappleiter zum blühenden Kirschbaum werden lässt; wenn unter dem Kirschbaum die beiden Großeltern mit dem kleinen Tonino in ihrer Mitte Tango tanzen.

„Mein Großvater war ein Kirschbaum“, hieß das nach einer Erzählung von Angela Nanetti entstandene Menschen- und Figurentheaterstück, das am Sonntag im Bosco seine Uraufführung feierte. Ein Fest war es wahrlich, ein Fest für die Sinne und für die Sehnsucht nach gut erzählten Geschichten. Melanie Sowa und Johannes Benecke spielten in der Regie von Moritz Sostmann diese Geschichte vom Altern und Sterben und vom Verwurzeltsein in einer Familie auf einfühlsame und bezaubernde Weise. Es ging um die ersten konfliktreichen Erfahrungen im Leben des Jungen Tonino, der aus der Rückblende erzählt. Tonino wird von einer fast lebensgroßen Puppe dargestellt, gebaut von Melanie Sowa , die von beiden Schauspielern abwechselnd geführt und gesprochen wird.

Der Junge erlebt, wie seine Großeltern auf dem Land, bei denen er ein freies und sinnliches Leben erfährt, altern und nacheinander sterben. Später trennen sich seine Eltern: Der Vater bleibt in der Stadt, wo das Leben regulierter ist, Tonino zieht mit der Mutter aufs Land in deren Elternhaus, wo im Garten noch der Kirschbaum steht, der einst zur Geburt der Mutter gepflanzt wurde. Wenn er mal nicht mehr lebe, hat der Großvater einst dem Kleinen erzählt, dann würde er sich in diesen Kirschbaum verwandeln. Und ausgerechnet dieser Baum soll nun einer Schnellstraße weichen. Wie es Tonino gelingt, den Baum zu retten und damit auch den Großvater unsterblich zu machen, davon erzählt die Geschichte mit sehr poetischen, spielerischen Mitteln. Einzig mit einer Klappleiter, ein paar Pappkartons und Spielzeug, wie man es in jedem Kinderzimmer findet, ist die Bühne gestaltet.

Mehr Requisiten brauchen Sowa und Benecke nicht, um daraus die Welt des kleinen Tonino zu zaubern. Regisseur Sostmann setzt ganz auf das Erzählerische der literarischen Vorlage und verleiht der Aufführung damit die Qualität der langen, beinahe epischen Bögen. So liegt eine große Ruhe über dem Ganzen und schafft einen spannenden Kontrast zu den Turbulenzen, denen Tonino doch ausgesetzt ist. Auch der Kontrast zwischen den von Menschen dargestellten Erwachsenen und der Puppe, die für das Kind steht, ist sehr reizvoll. „Mein Großvater war ein Kirschbaum“ ist großartiges Kindertheater, das sich wohltuend abhebt von den Prinzessinnen- und Dino-Geschichten, die sonst so angeboten werden. SABINE ZAPLIN


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