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PRESSESTIMMEN ÜBER DEN KLEE

01 TAGESSPIEGEL BERLIN, NOV 2008

"Klee oder ein Puppenheim "

Überraschung im Museum: Es gibt Puppentheater! Sein Leben lang hat Paul Klee die Bühne geliebt, sie war ihm Inspiration wie die Tiere und die Natur, und für seinen Sohn Felix bastelte der Maler zum Geburtstag einmal aus Abfall und allerlei Resten einen wilden Haufen Handpuppen. Es sind finster-fröhliche Gestalten, sie erinnern an arabische Stammeskunst. Einige von ihnen sind in der wunderschönen und berührenden Paul-Klee-Schau der Neuen Nationalgalerie zu sehen, eingesperrt in Vitrinen. Doch wenn man großes Glück hat, dann läuft in einem kleinen Nebenraum vielleicht gerade das Stück „Über den Klee“. Man kann es wirklich nicht genug über denselben loben. So gut habe ich mich lange nicht amüsiert, schon gar nicht im Theater. Und wann war ich zuletzt im Puppentheater ...

Natürlich agieren die Puppenspielerinnen Friederike Krahl und Melanie Sowa nicht mit echten Klees, aber die nachgeba ute n Kerlchen sind vom Original nicht zu unterscheiden. Auftritt der Künstler, er ist in einer Schaffenskrise, und wir dürfen miterleben, wie er sich da flugs heraushanswurstelt. Fantastisch! Paul Klee, so zeigt die Ausstellung, war ein tiefernster, getriebener und verklemmter Mensch, ein genialer Grübler. Das Leben mit ihm war wohl auch nicht allzu lustig. Aber wenn die Puppen über diese ernsten Dinge sprechen, geht’s leicht von der Hand. Die Puppe namens Tod zum Beispiel kommt immer zu früh, um den Meister zu holen, und am Ende kommt sie zu spät, weil Klee schon unsterblich ist. Hinreißend, wie die Klee-Puppe einer Kunststudenten-Puppe erklärt, sie habe soeben die Abstraktion erfunden und könne für einen Naturalisten leider nichts tun. Der Felix-Puppe ist immer langweilig, sie hält die Papa-Puppe von der Arbeit ab. Die schafft aber, kaum dass sie den großen Pinsel hochheben kann, razzfazz ein Minimeisterwerk nach dem andern, hängt’s an die Puppentheaterwand und sagt in charmantem Schweizerdeutsch: „Ich find’s gut“.(...)

Es war, glaube ich, Max Reinhardt, der sagte, ein Schauspieler ist jemand, der sich die Kindheit in die Tasche gesteckt hat. Wahrscheinlich sind die Taschen he ute zu tief, oder sie haben Löcher. Danke, liebe Puppen, denn ihr habt es besser!


02 BERLINER ZEITUNG, OKT 2008

" Das Rinderknochengesicht und der kleine Tod"

Paul Klee hinterließ kunstvolle Handpuppen. Berliner Spieler bringen sie auf die Bühne in einem Stück über das Malerleben

Die imposanteste Puppe stellt den Maler selber dar: Paul Klee (1879-1940). Mit Riesenaugen, links wie rechts eher kosmisches Zeichen denn Menschen-Auge. Dreieck und Pupille darin ähneln jenem markanten Symbol auf Bildern da Vincis. Die Handpuppe trägt schwarzen Backenbart, schwarzen Malermantel und tunesische Kappe. Der Schädel ist geschnitzt aus einem Rinderknochen. Es gibt ein Foto von dieser Figur. Der greise Sohn Paul Klees, Felix, für den alle Puppen entstanden waren, hält sie in der Hand. Die Vaterpuppe liebte Felix am meisten.

Aber auch die Schlummermutter, Frau Schlau, in ihrem bunten Schürzenkleid, hatte die Sympathie des Jungen Felix, damals, in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, wo es in den Läden kaum etwas zum Spielen zu kaufen gab. Frau Schlau braucht auch einigermaßen Mitleid, denn sie ist mit einem Trottel verheiratet, aber sie hat einen Trost: Meister Paul Klee, den Maler, ihren Untermieter. Ihn verehrt sie inniglich. Er indes wendet seine Zuneigung eher dem Barbier von Bagdad zu, einem, der die Farben des Orients im Gesicht trägt und auf dem Turbankopf einen Malerpinsel, als Zeichen der Muse.

Es ist unverkennbar das von Klee geliebte Tunesienreise-Kolorit auf diesem Gipskopf mit dem Riesenriecher. Man liest der Puppe förmlich Klees Tagebuchnotizen ab von der "Leibhaftigkeit des Märchens, die Sonne von einer finsteren Kraft, die farbige Klarheit an Land verheißungsvoll, Materie und Traum zu gleicher Zeit und als Drittes ganz hineinverfügt mein Ich ..."

Die Lieblingspuppe

Ganz anders Frau Tod. Sie hat einen kalkweißen flachen Kopf, ihr Gesicht ist eine vollkommen gezeichnete Arabeske, typisch Paul Klee. Der Kopf ihres Mannes ist winzig, die schwarzen Augenhöhlen sehen derart komisch aus, dass man, statt sich zu fürchten, lachen muss. Der kleine Tod war Klees Lieblings-Puppe. Mit ihr beginnt und endet das Stück über sein Leben als Maler, der von sich sagte "Diesseitig bin ich gar nicht fassbar."

Zu sehen bekommen wir das schöne, kluge, tiefsinnige Stück - dank Hauptstadtkulturfonds und Klee-Museum Bern - ab dieser Woche in Berlin. Es ist etwas ganz Besonderes; eine Gruppe junger Berliner Puppenbühnen-Künstler hat den Ehrgeiz, die Lust und die Kraft, Klees Lebensgeschichte mit dessen Puppen aufzuführen. 50 Stück ba ute der Bauhausmeister bis 1924 für seinen Sohn Felix (der später ein Theatermann geworden ist) als Spielzeug. 30 Puppen überstanden den Krieg, 20 verbrannten 1944 in Würzburg. He ute befindet sich der glücklich geborgene Rest im Klee Museum Bern - Familienbesitz und unverkäuflich. Im Werkverzeichnis sind die Puppen nicht erwähnt.

Ein ungeahnter Blick ins Private der Familie des Universalisten Paul Klee ist uns durch sie gestattet. In Bern stehen die Puppen in hohen Vitrinen wie Schneewittchen im gläsernen Sarg, halbtot musealisiert. Nicht genug zu loben ist deshalb die Idee der zuständigen Kuratoren, von den kostbaren Puppen-Unikaten elf um 20 Prozent vergrößerte - damit für Erwachsenen-Hände passende Repliken bauen zu lassen. Kunstvoll-original sind sie - bis hin zum detailliert gleichen Stoff der Kleider, den Knöpfen, sogar den Nähten, meisterlich kopierte "Sauschneider-Stiche" halten die witzigen Klee-Kostüme zusammen.

Und wie Klees Bilder - die Nationalgalerie Ende Oktober versammelt sie - so zeigen die Puppen, wofür wir seine Kunst so lieben: In ihr durchdringen sich ganz wie im Spiel Gegenständliches und Abstraktes, Konstruktiv-Statisches und Dynamisches. Phantastisches und Groteskes, Mythisches und Ironisches.

Zwei namhafte Puppenspielerinnen - Melanie Sowa vom Theater Kasoka und Friederike Krahl vom Theater Handgemenge - übernehmen die virtuosen Rollen. Regie führt Mario Hohmann von Unitet Puppets. Gyula Molnar und Ulrich Seidler, Theaterredakteur der Berliner Zeitung, unterstützen das Projekt künstlerisch.

Was nun wird erzählt? Meister Klee steht an seiner Staffelei und sucht nach dem einzigartigen Ausdruck seiner selbst. Er ringt um die Wahrheit und die nächste Mietzahlung, wird von Erkenntnis durchdrungen, von Zweifeln heimgesucht und vom Schicksal gebe ute lt. Er malt sich unsterblich, bis der Tod ihn abholt. Die Figuren bewegen sich zwischen Diesseits und Jenseits, spiegeln das Universum des Künstlers mit Witz und Ironie, karikieren Zeitgenossen Klees, zeigen die Mühen der Selbstfindung in der frühen Moderne, den Glanz der Meisterjahre und die Tragik des von den Nazis als "entartet" Verfemten, aus Deutschland Vertriebenen, der schließlich an einer unheilbaren Sklerodermie, einer "Versteinerung" der Haut und der inneren Organe, zugrunde geht.

Witz und Tiefsinn

Diese traurige Szene meistert auf der Bühne der kleine Tod. Er verkörpert Klees ununterbrochenen Dialog mit sich selbst - als witziges, tiefsinniges Zwiegespräch von Leben und Tod. Die Puppe Tod bringt uns Meister Klee dahin, wo er hingehört: in den Künstlerhimmel. Ein Katzenschwanz und ein buntes Bauhausballett aus Kegel, Kugel, Rhombus vertreiben am Ende die Trauer in dem Stück, das für erwachsene Klee-Fans wie für Kinder gleichermaßen geschaffen ist.

Es erzählt uns auf seine Weise, dass Paul Klee, 1879 nahe Bern geboren, Bauhausmeister, Mitglied der Expressionistengruppe "Blauer Reiter", Akademieprofessor in Düsseldorf, Exilant aus Nazi-Deutschland und 1940 in Locarno gestorben, ein Magier war. Einer auf "höherer" - also auf kindlicher Ebene. Das Komische, Groteske bei Klee hat immer einen ganz eigensinnigen, zeitpolitischen - und spielerischen Sinn. Für ihn verhielt sich Kunst gleichnisartig zur Schöpfung. "Sie ist jeweils ein Beispiel, ähnlich wie das Irdische ein kosmisches Beispiel ist", schrieb er ins Tagebuch. Der Kunstkritiker Carl Einstein hatte gemeint, bei Klee führe die Skepsis gegenüber der Realität zu Wundern geträumter Gestalten, und der Zweifel an der Verbindlichkeit objektiver Gesetze locke zum Staunen über subjektive Mythen. Deren Entstehung freilich sei ziemlich schwer durchschaubar.

 

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